Logo Kanton Bern / Canton de BerneJahresbericht Kantonales Laboratorium

Das Kantonale Laboratorium 2023

«Wir sind tagtäglich im Einsatz zum Wohle der Konsumentinnen und Konsumenten des Kantons Bern.»

Otmar Deflorin, Kantonschemiker Kanton Bern

Editorial

Was hat das Kantonale Laboratorium des Kantons Bern 2023 besonders beschäftigt? Welche Neuerungen stehen in diesem Jahr an, und wo lauern Herausforderungen? 

Erfahren Sie mehr in der Video-Botschaft von Kantonschemiker Otmar Deflorin.

Im Fokus

Pflanzliche Produkte unter der Lupe

Ob Tofu, stark verarbeitete Ersatzprodukte oder Hülsenfrüchte: Der Markt pflanzenbasierter Fleisch-, Käse- und Milchalternativen steigt stetig. Wir haben 60 Ersatzprodukte und 71 Hülsenfrüchte auf unerwünschte Substanzen geprüft.

Mit dem wachsenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein haben pflanzenbasierte Fleisch-, Käse- und Milchalternativen einen regelrechten Boom erfahren. Immer mehr werden stark verarbeitete Fleischersatzprodukte und -Imitate als proteinreiche und nachhaltige Alternative angeboten. Dazu kommen zahlreiche neue Milch-Ersatzprodukte auf Basis von Hafer, Reis oder Nüssen, und auch Hülsenfrüchte sowie deren Produkte werden vermehrt verzehrt.

Auch wenn eine vermehrte pflanzliche Ernährung grundsätzlich zu begrüssen ist, sie birgt potenzielle Risiken: Pflanzliche Lebensmittel und Ausgangsstoffe können mit Verunreinigungen wie Mykotoxinen, Schwermetallen oder Pestizidrückständen belastet sein. Diese können ihren Weg in Endprodukte finden und somit aufgenommen werden. Deshalb hat das Kantonale Laboratorium Untersuchungen an pflanzlichen Lebensmitteln und Substitutionsprodukten durchgeführt: 60 Ersatzprodukte (23 Fleisch-, 7 Käse-, 30 Milchersatz-Produkte) und 71 Hülsenfrüchte, die auf dem Schweizer Markt erhältlich sind, wurden mittels verschiedener analytischer Methoden auf unerwünschte Substanzen geprüft.

  • Mykotoxine werden von Schimmelpilzen produziert, die Lebensmittel bei ungünstigen Umweltbedingungen oder unsachgemässer Herstellung und Lagerung befallen. Sie entfalten ihre toxische Wirkung insbesondere in der Leber. Mykotoxin-Verunreinigungen dürften im Zuge des Klimawandels eher zu- als abnehmen. Erfreulicherweise ergab die Untersuchung auf 27 verschiedene Mykotoxine bei allen pflanzlichen Fleischersatz-Produkten nur sehr geringe, gesundheitlich unbedenkliche Konzentrationen.
  • Eine Probe Borlottibohnen enthielt einen zu hohen Gehalt an Ochratoxin A. Die Probe wurde deshalb als kontaminiert beanstandet und der verantwortliche Betrieb zu einer Stellungnahme aufgefordert. Diverse Fleischersatz-Produkte sowie Hülsenfrucht-Proben enthielten Spuren von Alternariatoxinen. Für diese Substanzen gibt es aktuell jedoch keine gesetzlich geregelten, toxikologischen Höchstwerte in der Schweiz.
  • Sämtliche Gehalte an Blei, Cadmium, Arsen und Quecksilber wurden als gesundheitlich unbedenklich befunden. Ein Geschnetzeltes auf Lupinenbasis enthielt auffällig hohe Mengen an Mangan, jedoch existiert derzeit kein gesetzlich festgelegter Höchstwert dafür. Mit zunehmender Bedeutung von Hülsenfrüchten für eine nachhaltige Ernährung könnte das Thema in Zukunft jedoch an Tragweite gewinnen, sollten sich Lupinen stärker als Ausgangsstoff für Fleischersatz-Produkte etablieren als bisher.
  • Ein Teil der Hülsenfrüchte wurde auf Rückstände von knapp 500 Pestiziden getestet. Dabei wurden insgesamt 28 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen und 20 Prozent der Proben aufgrund einer Überschreitung eines Rückstands-Höchstgehaltes beanstandet. Diese beträchtliche Beanstandungsquote lässt vermuten, dass auch verarbeitete Produkte Rückstände von Pestiziden enthalten könnten.

Fazit: Es ist einerseits erfreulich, dass die geprüften verarbeiteten Ersatzprodukte meist nur Spuren der beurteilten Kontaminanten enthielten. Überraschend für uns war, dass 20 Prozent der auf Pestizide untersuchten Hülsenfrüchte zu beanstanden waren. Es ist zu erwarten, dass mit einer weiter wachsenden Relevanz dieser einstigen Nischenprodukte auch die Risikobewertungen und somit die Bandbreite an gesetzlich festgelegten Höchstwerten zunehmen wird. Das Kantonale Laboratorium wird diese interessante Produktegruppe deshalb auch in Zukunft im Auge behalten.

Zahlen & Fakten

Die Kontrolleurinnen und Kontrolleure des Kantonalen Laboratoriums inspizierten im 2023 knapp 7000 Betriebe und erhoben gut 9000 Lebensmittel- und Trinkwasserproben. 

Labortätigkeit

Von tierischen Produkten über Süsswaren bis Kosmetika: Insgesamt hat das Kantonale Laboratorium 9023 Proben untersucht und lebensmittelrechtlich beurteilt. 

Von den 9023 untersuchten Proben mussten 1437 beanstandet werden. In der Grafik werden die Beanstandungsgründe anteilsmässig dargestellt.

Die Probenerhebung für die Untersuchungen erfolgte risikobasiert. Aus diesem Grund lässt die Zusammenstellung keine Rückschlüsse auf die durchschnittliche Qualität der im Markt erhältlichen Lebensmittel zu.

Inspektionstätigkeit

6883 Lebensmittel- und Trinkwasserbetriebe wurden 2023 überprüft. 

Nach jeder Inspektion werden die Ergebnisse bewertet und der Betrieb in eine der Gesamtgefahren «unbedeutend», «klein», «erheblich» oder «gross» eingeteilt. Damit wird risikobasiert der nächste Inspektionstermin festgelegt. Betriebe mit einer kleinen Gesamtgefahr werden weniger häufig kontrolliert als solche mit einer grossen Gesamtgefahr.

Proben- und Inspektionsstatistik 2023

Doppelt so viele Strafanzeigen wie im Jahr zuvor

Bei gravierenden Mängeln erfolgt eine Strafanzeige. 2023 wurden in 274 Fällen Strafanzeige eingereicht. Das sind doppelt so viele Anzeigen wie im Jahr zuvor (2022: 140). Zehn Betriebe mussten geschlossen werden. Gründe für die ausserordentlich hohe Zahl vermutet Kantonschemiker Otmar Deflorin im Fachkräftemangel. «Steht weniger Personal zur Verfügung, wird oftmals zuerst bei der Hygiene gespart. Darunter leidet nicht nur die vordergründige Sauberkeit eines Betriebs, sondern auch die mikrobiologische Beschaffenheit der Lebensmittel».

Gleichzeitig stellt Deflorin fest, dass die Anordnungen, Mängel zu beheben, mehr als auch schon missachtet wurden. «Wenn die Betriebsverantwortlichen unserer Anordnung aber nicht Folge leisten, sehen wir uns gezwungen, eine Strafanzeige gegen sie einzuleiten», so Deflorin. 

Über uns

Das Kantonale Laboratorium (KL) ist eine Amtsstelle der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion (WEU) und beschäftigt rund 70 Mitarbeitende. 

Das KL ist zuständig für die Kontrolle von Lebensmitteln und Lebensmittelbetrieben, von Gebrauchsgegenständen wie Geschirr, Kosmetika und Spielzeug, Bade- sowie Trinkwasser. Zudem überwacht es die Landwirtschafts-, Umweltschutz-, Chemikalien- und Strahlenschutzgesetzgebung mit gezielten Stichproben.

Unterwegs: mit Lebensmittelinspektor Philipp Jenzer

Wie geht das KL bei einer Kontrolle konkret vor? Was gilt es alles zu beachten? Lebensmittelinspektor Philipp Jenzer gibt Einblick am Beispiel einer Tattoo-Studio-Kontrolle. 

Philipp Jenzer, was macht ein Lebensmittelkontrolleur im Tattoo-Studio?

Er überprüft auch hier, ob die Lebensmittelgesetzgebung eingehalten wird. Im Falle von Tattoo-Studios betrifft dies Artikel 4, die Sorgfaltspflicht in der so genannten Humankontaktverordnung. Diese schreibt Folgendes vor: «Personen, die Piercings, Tätowierungen und Permanent-Makeup an Drittpersonen anbringen, haben alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, damit keine Infektionen übertragen werden können». Das heisst einfach formuliert, ich überprüfe vor Ort, ob der Gesundheitsschutz in jedem Fall gegeben und der hygienische Umgang eingehalten wird.

Wie gehen Sie bei einer Kontrolle vor?

Im Tattoo-Studio gehe ich – im Gegensatz zu Restaurants – fast nur auf Anmeldung vorbei. Nichts ist für alle Beteiligten unangenehmer, als mitten beim Tätowieren einer Person herein zu platzen. Ich melde mich also an, stelle mich vor, überprüfe dann alles stichprobenartig: die Dokumente, die Maschinen, die Farben – achte etwa auf Öffnungs- und Ablaufdatum – aber auch die ganzen hygienischen Prozesse und Abläufe und die baulichen Voraussetzungen. Ist alles sauber? Existiert ein Notfallkonzept, ein Pflegehinweis für die Kundschaft, eine Handwaschgelegenheit? Die Pflicht, alles zu tun, damit nichts passiert, klingt nach wenig, beinhaltet aber extrem viel. Heikel sind Hygienemängel oder Farben mit heiklen Inhaltsstoffen. Die Tätowierenden bewegen sich juristisch in einem diffizilen Bereich. Deswegen empfehlen wir ihnen, für jede Kundin, jeden Kunden ein Dossier anzulegen. Da sind Alter, Krankheiten, Unverträglichkeiten, alle Tattoos, alle Sitzungen, welche Farbe verwendet wurde… wirklich alles, was wichtig sein kann bezüglich Rückverfolgbarkeit, festgehalten. Das dient nicht zuletzt zu ihrem eigenen Schutz, etwa wenn es darum geht, ein anderswo gestochenes, missratenes Tattoo auszubessern.

Was machen Sie, wenn Sie in einem Studio Mängel entdecken?

Das vermerke ich in Form einer Beanstandung und fordere den Inhaber, die Inhaberin auf, den Mangel in einer bestimmten Frist zu beheben. Das geschieht meist schnell und problemlos. Zur letzten Konsequenz, einer Schliessung, kommt es in dieser Branche höchst selten. Überhaupt muss ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit den Tattoo-Studios gut funktioniert. Die professionellen Betreiberinnen und Betreiber sind sich ihrer Verantwortung bewusst und handeln sehr gewissenhaft und sorgfältig. Wir profitieren gegenseitig von diesem Austausch. Seit vier Jahren gilt auch eine Meldepflicht für Tattoo-Studios, das hat vieles nochmals verbessert.

Wie kamen Sie dazu, in dieser Branche zu kontrollieren?

Ich bin eigentlich ausgebildeter Lebensmittelingenieur. Als das Kantonale Laboratorium 2010 den gesetzlichen Vollzugs-Auftrag zur Kontrolle von Tattoo-Studios erhielt und sich die Frage stellte, wer diese Vorschriften umsetzen könnte, fiel die Wahl auf mich. Ich bin selber tätowiert und kannte Tätowierer. Die erste Kontrolle fand 2011 statt. Heute überprüfen wir zu zweit die rund 300 Tattoo-, Piercings- und Permanent-Makeup-Studios im Kanton Bern in Abständen von rund drei Jahren – vorausgesetzt bei der letzten Kontrolle wurde nichts beanstandet.

Wie hat sich das Business im Laufe der Jahre geändert?

Das Bewusstsein für Hygiene und Risiken ist bei den Tätowiererinnen und Tätowierern enorm gestiegen. Das zeigt sich etwa bei der Sterilisation der verwendeten Instrumente, die fast verschwunden ist; heute wird fast nur noch mit Einwegmaterialien gearbeitet. Deutlich besser sind auch Farbqualität und die baulich-hygienische Situation. Was leider immer noch fehlt, ist eine vorgeschriebene Ausbildung. Das hat zur Folge, dass jeder sich irgendwo für hundert Franken einen Koffer mit Maschine, Nadeln, (Fake-)Farben und Übungshaut besorgen und einfach loslegen kann. Mit Argwohn beobachten wir zudem, wie beiläufig und sorglos die heutigen jungen Menschen sich gegenseitig tätowieren. Heikle Inhaltsstoffe, HIV oder andere mögliche, negative Folgen bedenken sie kaum, auch die Meldepflicht ist vielen nicht bewusst. Fakt aber ist: Rufen sie auf Social Media beispielsweise zu einem Stechevent in einer privaten Wohnung auf, ist es gut möglich, dass auch ich klingle und auf der Matte stehe.

Rechtliche Grundlage
Verordnung über Gegenstände für den Humankontakt

Die Fotos sind im Studio Heartless Tattoo in Thun entstanden. Wir danken Inhaber Dominik Gerber herzlich für die Gastfreundschaft.

Informationen

Mehr zu den detaillierten Untersuchungsergebnissen erfahren Sie in den folgenden Dokumenten.

  • 1. Quartalsbericht 2023

  • 2. Quartalsbericht 2023

  • 3. Quartalsbericht 2023

  • 4. Quartalsbericht 2023